Der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte hat entschieden, dass die Verweigerung einer Substitutionstherapie in Gefängnissen gegen das Folterverbot aus Art. 3 EMRK verstößt. Der Gefangene hat ein Recht auf Ersatzdroge.
JVA verweigerte Insassen jahrelang Methadon
Ein Gefängnis in Bayern hatte einem heroinabhängigen Häftling jahrelang das Methadon verweigert. Der Gerichtshof sieht darin eine unmenschliche Behandlung. Es war überprüft worden, ob die Behörden den Gesundheitszustand des Insassen richtig erfasst hatten und diesen angemessen behandelten. Dabei fielen einige Defizite auf. Vor allem die Jugendvollzugsanstalt hätte Experten mit einbeziehen müssen.
Der ehemalige Gefängnisinsasse hatte beim Gerichtshof die Beschwerde eingereicht, da er während der Haft in Kaisheim kein Methadon bekommen hatte. Er war zuvor jahrelang heroinabhängig gewesen und hatte schon mehrmals vergeblich versucht seine Sucht zu beenden. Noch vor der Haft nahm er von 1991 bis 2008 an einem Methadon-Programm teil. Auch nach seiner Entlassung wurde ihm die Behandlung wieder verschrieben.
2009 wurde er zu einer sechsjährigen Haftstrafe wegen Drogenhandels verurteilt. Im Zuge dessen wurde er in ein Krankenhaus eingewiesen, um dort einen „kalten Entzug“ zu machen. Jedoch nahm er währenddessen heimlich Methadon und wurde somit wieder in die Haftanstalt verlegt. Dort sah die Behörde eine Methadonbehandlung nicht als notwendig an. Vielmehr hielt man dies für schädlich für seine Rehabilitation.
Methadon-Programm bestmögliche Therapie für heroinabhängige Gefangene
Für den Gerichtshof wäre es jedoch erforderlich gewesen, dem Mann auch während der Haft weiter eine Substitution zu gewähren. Nach einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums sei für die Süchtigen die Methadonbehandlung die bestmögliche Therapie. Die medizinische Versorgung eines Gefangenen dürfe nicht schlechter sein als diese von Menschen in Freiheit. Die Richter werteten die Verweigerung der Ersatzdroge als unmenschlich; sie habe zu physischen und psychischen Leiden geführt.
Urteil könnte Signalwirkung haben
Das Urteil könnte große Auswirkungen auf die Drogentherapie in Gefängnissen haben. In deutschen Haftanstalten leben etwa 10.000 bis 15.000 Heroinabhängige. Viele von ihnen haben nicht die Möglichkeit angemessen therapiert zu werden. Jede JVA entscheidet in Deutschland selbst, ob sie ein Methadon-Programm anbietet. Zur Zeit nehmen nur ca. 5 % aller Männer in Haftanstalten an solchen Therapieprogrammen teil, unter den weiblichen Strafgefangenen sind es bis zu 30 %.