Gesetzeslücke bei Zwangsbehandlung psychisch Kranker

Laut dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG, B. v. 26.07.2016, Az. BvL 8/15) sollten psychisch Kranke leichter zu einer Behandlung gezwungen werden können. Bis jetzt bestünden verfassungswidrige Lücken, die gesetzlichen Regelungen müssten also verstärkt werden.

Zwangsbehandlung bisher nur unter strengen Voraussetzungen

Grundsätzlich ist im Gesetz festgesetzt, in welchen Fällen psychisch Kranke gegen ihren Willen ärztlich behandelt werden dürfen. Vorausgesetzt ist beispielsweise, dass sie in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht sind. Das führt dazu, dass eine Zwangsbehandlung bei Patienten, die in gewöhnlichen Krankenhäusern liegen, ausgeschlossen ist.

Zudem dürfen Patienten, die sich nicht aus eigener Kraft fortbewegen können, nicht in geschlossene Einrichtungen eingewiesen werden. Dies wird damit begründet, das der Freiheitsentzug in diesen Fällen nicht notwendig ist. Für diese Patienten war eine Zwangsbehandlung bisher nicht möglich. Dies will das Bundesverfassungsgericht nicht mehr hinnehmen und sieht einen Verstoß gegen die staatliche Pflicht zum Schutz des Lebens.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Gesetzeslücke im Fall einer psychisch kranken 63-jährigen bemerkt. Die Patientin war auf einer geschlossenen Demenzstation untergebracht. Sie verweigerte die Essensaufnahme und wurde daher mit einer Magensonde ernährt. Auch wurde sie mit Medikamenten behandelt worden, nachdem sie Suizidabsichten geäußert hatte. Als die Frau dann an Brustkrebs erkrankte, lehnte sie eine Behandlung der Krankheit ab. Die Patientin war bereits bettlägrig und konnte deshalb nicht in die geschlossen Psychiatrie verlegt werden. Ihre Betreuerin versuchte eine Zwangsbehandlung zu erwirken. Es gelang ihr nicht, obwohl die Frau durch ihre psychischen Erkrankungen die Konsequenzen ihrer Weigerung nicht abschätzen konnte. Mittlerweile ist die Patientin verstorben.

Gefährliche Gesetzeslücke ist unverzüglich zu schließen

Der Bundesgerichtshof (BGH) legte den Fall aufgrund von verfassungsrechtlichen Bedenken dem BVerfG vor. Dort sah man, dass die Gesetzeslücke „unverzüglich zu schließen“ sei und die Zwangsbehandlung auch bei solchen Patienten übergangsweise zu erlauben sei. „Die staatliche Gemeinschaft darf den hilflosen Menschen nicht einfach sich selbst überlassen“, so heißt es im Beschluss der Verfassungsrichter.

BVerfG: staatliche Schutzpflicht kann Zwangsbehandlung gebieten

Dies könnte bedeutet, dass in bestimmten Fällen in das Selbstbestimmungsrecht der Patienten eingegriffen werden darf. Das Bundesverfassungsgericht ist der Ansicht, dass es die Schutzpflicht des Staates gebietet, Patienten auch gegen deren Widerstand zu behandeln. Dies darf jedoch nur geschehen, wenn sich der Betroffene aufgrund seiner psychischen Krankheit gegen die Behandlung wehrt und die Verweigerung nicht Ausdruck seines freien Willens ist. Nun ist es Sache des Gesetzgebers die Lücke zu schließen.