Die Berliner Polizei hat am Donnerstag mit einem Großaufgebot von Beamten bei einer Razzia die Geschäftsstelle eines kriminellen Pflegedienst durchsucht. Der Pflegedienst wird verdächtigt, zusammen mit den Patienten die Pflegeversicherung um eine Million Euro betrogen zu haben.
Bei dem Einsatz waren insgesamt 115 Polizisten beteiligt, unterstützt von 15 Mitarbeitern der Bezirksämter. Neben der Geschäftsstelle in Berlin-Spandau wurden auch die Wohnung der Geschäftsführerin und die einiger Mitarbeiter durchsucht. Laut der Polizei soll die russischsprachige Leiterin des Pflegedienstes Mitarbeiter aus Russland und Kasachstan beschäftigt haben. Die 41-jährige wurde verhaftet. Gegen sie, sieben Beschäftigte und 31 Patienten wird nun ermittelt.
Abrechnungsbetrug in Zusammenarbeit mit den Patienten
In Zusammenarbeit mit den Patienten sollen sie die Versicherungen getäuscht haben. So sollen beispielsweise Patienten bei der Pflegeeinstufung durch die Krankenkasse vorgespielt haben „stark mobilitätseingeschränkt“ zu sein und dafür vom Pflegedienst monatlich entlohnt worden sein.
Das Unternehmen soll so für Pflegehilfen, die nicht erbracht wurden, bis zu 2000 € pro Patient und pro Monat eingenommen haben. Dabei sollen die Patienten genau instruiert worden sein, wie sie sich dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) gegenüber verhalten sollen: Gebeugt, mit sehr kleinen Schritten, laufen und gelegentlich etwas stöhnen. Welche Ausmaße der Abrechnungsbetrug durch Pflegedienste tatsächlich hat, kann nur geschätzt werden. Es wird vermutet, dass jeder dritte Pflegedienst Leistungen abrechnet, die nicht erbracht wurden.
Der Markt für diese Betrügereien wächst stetig, da die Bevölkerung immer älter wird. Bis 2030 wird sich die Zahl der Bedürftigen von 110 000 auf 170 000 erhöhen. Bereits heute gibt es in Berlin rund 620 ambulante Pflegedienste und knapp 400 Pflegeheime. Die Alten- und Behindertenpflege umfasst mehr als 10 000 Arbeitsplätze in Berlin. Der Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) sieht ein Vorgehen gegen die „betrügerischen Kartelle“ als unerlässlich. Jedoch dürften seriöse Pflegedienste nicht unter Generalverdacht geraten.
Problematisch ist vor allem die Kontrolle der Pflegedienste
Heime werden durch die Landesaufsicht kontrolliert. Pflegedienste helfen jedoch häufig in Privatwohnungen. Dort ist der MDK zuständig. Dieser kann aber auch nicht immer ausschließen, dass seine Mitarbeiter getäuscht werden. Seit 2013 tauschen Pflegeversicherungen und Sozialhilfeträger zumindest ihre Daten aus, um dem Abrechnungsbetrug entgegenzuwirken. Auch die Zusammenarbeit der Krankenkassen hat sich verbessert. 2014 und 2015 forderte die AOK Nordost insgesamt drei Millionen Euro von Pflegediensten zurück. Dazu war die Krankenkasse knapp 1000 Hinweisen nach manipulierten Rechnungen und Rezepten sowie Bestechungen nachgegangen.